Streichkonzert im Haushalt

Mit den Stimmen von CDU, FDP und Bürgermeister Dr. Uwe Friedl hat der Stadtrat in seiner letzten Sitzung den Haushalt für das Jahr 2010 verabschiedet. Nach den Haushaltsreden wurde sachlich, aber auch zum teil heftig diskutiert.

Mit den Stimmen von CDU, FDP und Bürgermeister Dr. Uwe Friedl hat der Stadtrat in seiner letzten Sitzung den Haushalt für das Jahr 2010 verabschiedet. Nach den Haushaltsreden wurde sachlich, aber auch zum teil heftig diskutiert.

Lesen Sie hier unsere Haushaltsrede nach:

Pecunia non olet, Geld stinkt nicht, aber kein Geld zu haben stinkt noch mehr. Jetzt werden Sie fragen, ja wonach denn? Wo nichts ist, kann auch doch auch nichts riechen. Aber wer die Nase in den Wind hält bemerkt den Geruch von faulen Kompromissen, schlechten Sparvorschlägen, ausgemusterten Argumenten, abgestandenen Ideen, verstaubten Verhaltensmustern, schalen Diskussionen.

Waren die Haushaltsberatungen im letzen Jahr begleitet von Diskussionen, in denen wir uns gegenseitig mit Forderungen im sozialen Bereich übertrafen, so wird dieses Jahr die Beratung und Verabschiedung des Haushaltes so lange verschoben, bis sich die Wählerinnen und die Wähler entschieden haben. Wir erinnern uns, das letzte Jahr war ja mit drei Wahlen auch das Superwahljahr, da entdeckten alle Fraktionen, auch die, von denen man es bis dahin nicht gewohnt war, ihre soziale Ader, das NKF ließ das ja auch zu. Für zwei Jahre konnten wir uns durch die Umstellung der städtischen Buchhaltung vorgaukeln, alles wäre prima. Die Realität hat uns schneller eingeholt, als geplant.

Wir alle wissen seit Jahren, dass die kommunalen Finanzen nur durch einen Kraftakt gerettet werden können. Die Stadt Euskirchen steht mit ihrer desolaten Haushaltslage nicht allein. Der Städte- und Gemeindebund meldet, dass voraussichtlich 115 Kommunen in NRW vor dem Offenbarungseid stehen und mit einem Nothaushalt arbeiten müssen. Das sind dreimal soviel wie in 2009. Einen strukturell ausgeglichen Haushalt konnten in diesem Jahr nur noch 18 der 359 kreisangehörigen Städte und Gemeinden aufstellen.
Ja, auch wenn es meine drei Vorredner bereits gesagt haben: Die Bundesregierung und die abgewählte Landesregierung in Düsseldorf lassen die Kommunen im Regen stehen. Rettungsschirme, wie bei der Bankenkrise, sind nicht zu erwarten. Man hofft eher, dass die Asche vom Himmel regnet. Das ist ja dann zwischenzeitlich auch geschehen. Aber Wortspiel bei Seite, eine grundlegende Föderalismusreform, die jedes Jahr von den Kommunen aufs Neue gefordert wird, wird immer wieder auf die lange Bank geschoben. Und damit gehören zunehmend mehr Städte in NRW den Banken. Immer noch werden immer mehr Aufgaben den Kommunen auferlegt, ohne für eine angemessene Finanzierung zu sorgen. Die Sozialabgaben wachsen stetig, vor allem die Ausgaben, die durch Arbeitslosigkeit bedingt sind. Arbeitslosigkeit kommt der Volkswirtschaft immer teurer zu stehen. Arbeitslosigkeit kann sich diese Gesellschaft nicht länger leisten. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die die Arbeitnehmer auch ernähren, ohne, dass der Staat Hartz IV Aufstockung zahlen muss, ist für die nächsten Jahre das wichtigste Ziel der Politik.

Und die Kommunen müssten entschuldet werden. Vielleicht so ähnlich wie die multilaterale Entschuldungsinitiative der G 8 - Länder für die Länder der sogenannten Dritten Welt im Jahre 2005. Dass die Länder der Ersten Welt in eine ähnliche Situation wie z.B. afrikanische Länder kommen könnten, hätte man vor Jahren doch nicht gedacht. Aber inzwischen liegt ja sogar der Korruptionsindex der BRD mit dem von Uganda, Burkina Faso, Mali und Mosambik gleichauf (Platz 48).

Solange wir aber in den Miesen sind, stellt sich die Frage, wie kommen wir mit Anstand aus der Misere? Andere Kommunen waren da schon sehr erfinderisch, da werden Schlaglöcher in Straßen von findigen Kommunen im Osten im Internet zum Verkauf angeboten (Niederzimmern im Kreis Weimarer Land: "Teer muss her" lautet die Aktion). Vielleicht können wir unsere Haushaltslöcher auch meistbietend versteigern unter dem Motto "Schotter muss her". Der Text der entsprechenden Plakette könnte dann lauten: „Dieses Haushaltsloch wurde Ihnen gestopft von ... ." Andere Ideen lassen sich nicht so leicht übernehmen. Die Wassertemperatur in unserem Schwimmbad können wir leider nicht um 1° senken, wo wir doch seit Jahren gar kein Hallenbad mehr haben.

Einsparvorschläge, wie die Streichung der Alphabetisierungskurse in der VHS (Einsparpotential 2.500 €) und Erhöhung der Teilnehmerentgelte des Kurses Deutsch als Fremdsprache (Ertragspotential 1.500 €) sind doch wohl vollkommen ungeeignet, unser Defizit zu senken. Sie zeigen - so sie wirklich ernst gemeint sind - die geringen Bemühungen um bildungsferne Schichten und Migranten und scheinen eine bestimmte Strategie zu verfolgen. Besser ist es vielleicht auch, wenn demnächst möglichst viele nicht mehr lesen können, was der Bürgermeister schreibt und nicht mehr verstehen können, was er meint.

Gleichzeitig meint der Bürgermeister mit dem Wegfall des Stadttheaters aber auch Synergieeffekte nutzen zu müssen. Die Inszenierung zeitgenössischer Stücke hat er nun kurzerhand selbst in die Hand genommen. Vorletzen Sonntag hat er im dicken Turm eine - mit Verlaub - etwas eigenwillige Aufführung von Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung" gegeben.

Auch die FDP ist sehr erfinderisch, wenn es darum geht, Geld in die Kassen zu spülen. Gibt sie sich in Euskirchen noch mit dem Backen kleiner Brötchen zufrieden, so arbeitet die Fraktion auf Bundesebene daran, den Plenarbereich des Reichstagsgebäudes in "Möwenpickarena" umzubenennen.

Haben wir uns in früheren Jahren ausgiebig um einzelne Punkte im HH gestritten, so bleibt diesmal der Streitwert gering. Es geht um grundsätzliche Fragen. Welche Entwicklung soll Euskirchen angesichts knapper Kassen nehmen, wofür ist immer noch Geld da, wo läuft immer noch etwas und wo kann denn überhaupt noch eingespart werden? Und da findet unserer Meinung nach eine besondere Form von Missbrauch statt. Angesichts des hohen Defizits wird der HH nicht mehr als Möglichkeit gesehen, Zukunft zu gestalten, sondern als Möglichkeit der Verhinderung von Projekten, die nicht genehm sind. Angesichts einer nicht mehr vorhandenen Mehrheit im Stadtrat versucht der Bürgermeister unter Androhung des Nothaushaltes nur noch die Projekte umzusetzen, die ihm wichtig sind. Zuschüsse werden gestrichen, Vorhaben gekippt,  für die Ideen des Bürgermeisters ist aber immer noch Geld da. Auf die diversen Baustellen im Stadtgebiet sei hingewiesen.

Natürlich ist im letzten Jahr eine ganze Menge umgesetzt worden. Größtenteils, weil wir als Kommune dazu verpflichtet waren, Projekte wie OGS, Ganztagsschule, Ausbau der Kindergärten und U3-Gruppen, Sanierung von Schulgebäuden umzusetzen. Wobei der Sanierungsstau in den Schulgebäuden bisher nur minimal abgebaut ist. Welche Kostenlawine dort noch auf uns zu rollt haben die Ratsmitglieder seit Jahren geahnt. Die Begehung der Schulen und Sportstätten war für viele nicht nur ernüchternd, sondern erschreckend.

Zumal zwei große Themenkomplexe in der heutigen Sitzung nur angesprochen werden können und nicht abschließend geklärt werden können. Was ist mit den beiden maroden Parkhäusern und was ist mit dem Schwimmbad?

Eine Reparatur der Parkhäuser wäre sehr kostenintensiv und nur wieder teures Flickwerk. Die Investitionen in das Parkhaus Entenpfuhl vor einigen Jahren haben sich nicht rentiert, jetzt sind die Schäden noch viel größer und es bleibt nur noch die Frage, wer baut uns zwei neue Parkhäuser? Und unter welchen Bedingungen macht es überhaupt Sinn, Parkhäuser bauen zu lassen? Geben wir damit nicht viel zu viele Lenkungsmöglichkeiten aus der Hand?

Wer baut uns das Schwimmbad ist dann die nächste Frage. Nachdem der Investor und die Stadtverwaltung die BürgerInnen und PolitikerInnen jahrelang vertröstet haben, wurde endlich eine Deadline gesetzt. Diese ist nun wiederum überschritten worden. Wie unglaubwürdig kann man sich denn noch machen? Ohne den Investor könnten die Bürgerinnen und Bürger in Euskirchen längst wieder schwimmen.

Hat die Stadtverwaltung die Politik mit dem Rückbau und Abriss des Freibades und des Schwimmbades damals vor vollendete Tatsachen gestellt, so sollten wir nun den Mut haben, unsere Beschlüsse auch wirklich umzusetzen und nicht immer weiter zu zuwarten. Dieses Jahr wird dann ja auch derZuschuss zum Badebus gestrichen,  der ja gerade den Wegfall des Freibades zumindest für die BürgerInnen in der Kernstadt kompensieren sollte.

Wie steht es so schön in der Vorlage, der soganannten „Giftliste", zum Kulturausschuss: "bereits seit 2003 wurden im Stadtbetrieb Freizeit und Sport Versuche gemacht, dem Spardruck durch Schließung von Anlagen (Robben an der Steinbach) entgegenzuwirken ...wie gut, dass es damals nicht zur Schließung kam.

Auch die Forderung des BM nach Solidarität zeigt sich immer mehr nur als eine leere Worthülse. Der Kreis soll gefälligst ins HSK gehen, der BM möchte aber für die Stadt Handlungsfreiheit erhalten und macht absurde Sparvorschläge, die einseitig den sozialen Bereich belasten und mit Solidarität gar nichts mehr zu tun haben. Habe ich im letzten Jahr schon die Therme als unnötige und schädliche Konkurrenz für die anderen drei großen Bäder in dieser Region dargestellt, so wird durch eine Resolution das Factory Outlet Center in Grafschaft als Gefahr für den Einzelhandel angeprangert. Wird der Tourismus als noch weiter zu erschließender aber immerhin wichtiger Standortfaktor für die Zukunft der Stadt gesehen, so steht doch die Ansiedlungspolitik der Stadt konträr zu diesem Ziel.

Der Vorschlag der CDU, weiteren Personalabbau zu betreiben, findet nicht unsere Zustimmung. In den letzten Jahren ist in der Stadtverwaltung bereits stark Personal abgebaut worden. Die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist jetzt schon besonders hoch, was sich auch in den Krankenständen zeigt. Da kann man nicht noch mehr Personal abbauen. Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Bediensteten der Stadtverwaltung und können nicht in der Rasenmähermethode pauschal Stellen kürzen. An dieser Stelle passt es ganz gut dem Kämmerer und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Zusammenarbeit zu danken.

Den Hebesatz der Gewerbesteuer erst im nächsten Jahr anzuheben erscheint uns zu spät. Wenn in allen Bereichen gespart und auf Einnahmeverbesserungen geschaut wird, dann darf dieser Bereich kein Tabu sein. Den Vorschlag der Verwaltung die städtischen Anteile an der Eugebau zu veräußern werden wir nicht folgen. Angesichts des demographischen Wandels sollten wir als Stadt die Möglichkeit haben, weiter als bisher aktiv in die Wohnungsbaupolitik und Stadtplanung eingreifen zu können.

Zwei Anträge liegen noch zur Abstimmung vor. Sowohl den Antrag der Musikschule, als auch den Antrag des Vereins „Frauen helfen Frauen" betreffend der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonfliktberatung werden wir unterstützen. Die Musikschule ist uns wichtig genug in ihrer Arbeit, dass wir gerade wegen der bereits beschlossenen Gebührenerhöhung zum Herbst meinen, dass die Zuschusserhöhung von 20.000 € nötig ist, um den Fortbestand dieser städtischen Einrichtung zu erhalten. Und auch die Beratungsstelle braucht den städtischen Zuschuss. Wir laufen sonst Gefahr, dass Angebote in der Stadt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Unser Vorschlag zum HH ist also, dieses Jahr bereits die Hebesätze zur Gewerbesteuer zu erhöhen. Dies führt schon in diesem Jahr zu Mehreinnahmen von ca. 1 Mio €. Die 10% Einsparungen im Bereich Kultur- und Freizeitbetriebe werden wir pauschal so nicht mittragen. Hier müssen noch Gespräche mit den Betroffenen geführt werden. Eine Einsparliste zu veröffentlichen ist die eine Sache, mit den Betroffenen im Vorfeld darüber zu reden ist aber Gebot der Stunde. Auch und gerade angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung.Wenn nur alle vier bis fünf Jahre der Wähler einmalig gefragt wird und man sich außerhalb von Wahlkampfzeiten alle Mühe gibt, den Eindruck zu vermitteln, Bürgerinnen und Bürger störten nur, ihre Mithilfe sei zwar gefragt, aber keinesfalls ihre Meinung, so braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Wähler zu  Hause bleiben, getäuscht und enttäuscht. Man suggeriert dem Souverän, seine Meinung zähle, er ist aber nur seine Stimme, die für die Politiker zählt. Auf die Politiker kann der Bürger aber auf keinen Fall zählen. Präsenz auf der Kirmes und anderen Festivitäten bedeutet nicht unbedingt die Bürgernähe, die wirklich gefragt ist.

Welche Vorschläge dann im HH 2011 umgesetzt werden, diese Entscheidung sollten wir alle im Konsens mit den Betroffenen fällen. Wir können nicht noch mehr ehrenamtliches Engagement einfordern, es teilweise sogar überfordern und gleichzeitig  mit den engagierten Bürgerinnen und Bürgern so schofelig umgehen. So bricht uns das ehrenamtliche Engagement bald ganz weg. Gewonnen würde dadurch nichts, verloren dagegen vieles.

Gewachsene Strukturen, die ihre Zeit brauchten, um aufgebaut zu werden, würden per Handstreich zerstört. Das Motto der Weltausstellung in Shanghai „eine bessere Stadt - ein besseres Leben" sollten wir uns auch im sozialen und kulturellen Bereich zu eigen machen. Nicht umsonst heißt der Deutsche Pavillon „Balancity", also Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Lebensbereichen.

Diese Balance ist aber im vorgelegten Haushaltsentwurf nicht zu erkennen.

Solange dies so ist können wir dem Haushalt in der uns vorliegenden Form nicht für gut halten.

Bündnis 90 / Die Grünen stimmen dem Haushalt nicht zu.

 

Dorothee Kroll

Fraktionssprecherin Bündnis 90 / Die Grünen