Bundespoltisch stehen wir vor dem Scherbenhaufen einer zerbrochenen Ampelregierung, diskutieren über die Standfestigkeit der Brandmauer gegen die AfD, befinden uns in einem zu Teilen erbitterten Lagerwahlkampf mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die Menschen gehen auch in Euskirchen erneut auf die Straße, weil sie sich um den Zustand der Demokratie sorgen. Gleichzeitig wird der finanzielle Spielraum unserer Kommune immer kleiner: Ab 2027 wird – so die Prognose – jeder zweite Euro für Aufwendungen ausgegeben, die nicht in unserer Hand liegen, mangels Konnexität zwischen von Bund und Land auferlegten Aufgaben, für die wir vor Ort selber aufkommen müssen, sowie einer exorbitant steigenden Kreisumlage. Die Diskussion und der Unmut hierüber in der „kommunalen Familie“ sind hinlänglich bekannt. Lohnt es sich in dieser Gemengelage überhaupt noch, sich im Stadtrat kommunalpolitisch zu engagieren und sich Gedanken über den Haushalt zu machen? Die Antwort ist ein ganz klares und deutliches „Ja“.
Am 8. Mai 2025 jährt sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. An diesem Tag eröffnet das Stadtmuseum eine Sonderausstellung zum Thema „Vom Krieg zum Frieden. Euskirchen 1945-1961“. Auch die Ehrenbürgerschaft von Willi Graf wird in diesem Rahmen gewürdigt. Sein Vermächtnis „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung.“ ist zugleich ein Appell, den seine Schwester Anneliese wie folgt umschreibt: „Nicht: Es muss etwas geschehen, sondern: Ich muss etwas tun.“ Oder in eigenen Worten: Nicht „Die da oben“ müssen, sondern wir, jede und jeder Einzelne. Wir alle haben das Privileg, hier vor Ort etwas bewirken zu können und andere Bürger:innen zu ermutigen, dies ebenfalls zu tun. Beteiligung ist das Stichwort und zugleich ein Kernanliegen grüner Politik.
Beteiligung wird in Euskirchen großgeschrieben: Sei es im Kleinen, wie der regelmäßigen Einladung an Kinder und Jugendliche, ihr Umfeld mitzugestalten und ihre Bedürfnisse und Interessen zu formulieren; sei es im Großen, wie bei den Konzepten zum Thema Mobilität und Radverkehr und im Rahmen des Hochwasserschutzes, bei dem sich Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Erstellung des Konzepts einbringen und sich gerade von den Experten auf den aktuellen Stand der einzelnen Maßnahmen in ihrem Orts- oder Stadtteil bringen lassen konnten.
Statt sich abzuschotten, baut die Stadt Brücken in unsere europäischen Nachbarländer, pflegt Städtepartnerschaften, ermöglicht die Begegnung von Schüler:innen und Vereinen und sucht neue Partnerschaften für einen lebendigen Austausch. Hierfür stehen im Haushalt ebenso Mittel zur Verfügung wie für die Ausweitung von Jugendangeboten, Gelder für die Musikschule, für museumspädagogische Arbeit, die Neugestaltung von Spielplätzen, aufsuchende Sozialarbeit und Integration, um nur einige Positionen herauszugreifen.
Euskirchen ist dank eines steten Ausbaus mit ausreichend Kitaplätzen versorgt, der Pool an Springer:innen, die die Schließung von Kitagruppen bei krankheitsbedingten Ausfällen verhindern, wird im Rahmen dieses Haushalts aufgestockt. Zwei Grundschulen profitieren vom Startchancenprogramm, durch An- und Neubauten sorgen wir dafür, dass Klassengrößen überschaubar sind; wir bezuschussen die OGS und müssen keinem Kind einen Platz in der Offenen Ganztagsbetreuung verwehren. Für die von uns beantragte Einrichtung eines Familiengrundschulzentrums, das auch Eltern miteinbeziehen und stärken soll, ist die Förderkulisse noch unklar, die hierfür benötigen Stellen befinden sich aber bereits (mit Sperrvermerk) im Stellenplan.
Als wesentliches Ziel für das Haushaltjahr 2025 wird nach wie vor die Beseitigung der Hochwasserschäden benannt, wo wir in der Innenstadt und mit neuen Kitabauten ein beachtliches Stück vorangekommen sind. Auch die Umsetzung des Klimaschutzkonzepts einschließlich der Wärmeplanung und des Mobilitätskonzepts gehören laut Vorbericht zu den verfolgten Zielen und Strategien – auf dem Papier. Während wir im Bereich der Wärmeplanung in Zusammenarbeit mit der e-regio vorbildhaft unterwegs sind, hapert es bei der Umsetzung des Klimaschutzkonzepts an allen Ecken und Enden. Dies liegt nicht nur daran, dass viele Maßnahmen an die Stelle des Energiemanagements geknüpft sind, deren Besetzung noch aussteht. Viel schlimmer: Im Oktober letzten Jahres sollte eine bereits zwei Jahre zuvor beschlossene Maßnahme „Einrichtung Klimaschutz-Förderprogramm“, für die die finanziellen Mittel im Haushalt schon eingestellt waren, durch Verabschiedung einer entsprechenden Richtlinie in die Umsetzung gehen. Durch einen ablehnenden Beschluss aller Fraktion außer der unseren wurde dies verhindert. Es stellt sich also die Frage, wieviel das an sich gute Konzept in der Praxis wert ist.
Tatkraft und Gestaltungswille beim Ausbau der Windenergie, bei dem Bürger:innen durch echte Beteiligung mitgenommen werden: Fehlanzeige. Hier wurde bereits bei der Erstellung des Konzepts durch Zugrundelegung viel zu großer, veralteter Abstandsregelungen alles getan, um möglichst wenige Flächen in die engere Auswahl zu ziehen. Die Quittung der Bezirksregierung, die nun in Teilen völlig andere Flächen ins Spiel gebracht hat, folgte zurecht und erwartbar. Nicht viel besser sieht es im Bereich der Infrastruktur für E-Mobilität aus. Obwohl das Mobilitätskonzept diverse Maßnahmen zur Förderung emissionsfreien Verkehrs beinhaltet, wurde schon allein die von uns beantragte Prüfung, wie es um die Ladeinfrastruktur in Euskirchen bestellt ist, abgelehnt. Man brauche keinen weiteren Ausbau, so der allgemeine Tenor.
Apropos Ausbau: Auch die Versorgung mit Wohnraum wird als Strategie des Haushalts 2025 ausgewiesen. Die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum ist ein weiteres unserer Kernanliegen. Während wir jährlich im Mittel ca. 52 öffentlich geförderte Wohneinheiten dadurch verlieren, dass sie aus der Bindung fallen, warten wir seit Jahren vergeblich darauf, dass es im Gebiet rund um die Tilsiter Straße weitergeht. Auch auf dem riesigen Areal der ehemaligen Westdeutschen Steinzeugwerke, auf dem immerhin knapp 190 der insgesamt rund 1.100 Wohnungen öffentlich gefördert entstehen sollen, hat sich außer einer Sigelvergabe im letzten Jahr nicht viel getan.
Wir verabschieden heute den letzten Haushalt in dieser Wahlperiode, bevor im September ein neuer Rat gewählt wird. Zeit also, ein Resümee über einige „grüne“ Akzente im Haushalt zu ziehen. Euskirchen ist offiziell von den UN zertifizierte „Kinderfreundliche Kommune“, kostenlose Menstruationsartikel an Schulen und öffentlichen Einrichtungen erleichtern das Leben von Mädchen und Frauen, mehr „unordentliche Ecken“ in Parks und auf Friedhöfen künftig das Überleben von Igeln und anderen Kleintieren. Ein Quartiersmanagement und ein inklusiver Sozialraum für das Viehplätzchenviertel vereinfachen gemeinsames bürgerschaftliches Engagement und schaffen Möglichkeiten zur Begegnung. Die Schulsozialarbeit wurde aufgestockt, moderne und sichere Fahrradabstellmöglichkeiten beschlossen, E-Lastenräder bezuschusst und fünf Millionen Euro für Maßnahmen zum Hochwasserschutz bei Starkregenereignissen bereitgestellt. Zudem haben wir den Beitritt des Rats der Stadt Euskirchen zur Trierer Erklärung initiiert und mit allen demokratischen Fraktionen gemeinsam ein Zeichen für eine wehrhafte Demokratie gesetzt.
Hier schließt sich der Bogen zum Beginn meiner Rede. Auch wenn die bürokratischen Mühlen, europäisches Vergaberecht, Fachkräftemangel und bisweilen fehlende Mehrheiten uns allen oft viel Geduld bei der Übernahme von politischer Verantwortung abverlangen, sind wir insgesamt zuversichtlich, dass mit dem Haushalt 2025 viele richtige Weichen für die Zukunft gestellt werden und wir unseren Teil dazu beigetragen haben. Daher stimmt die Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE Grünen mit Ausnahme zweier Mitglieder dem Haushalt zu.
Wir danken dem alten Kämmerer und seinem Fachbereich für die Erstellung des Haushalts, dem künftigen Kämmerer für die angenehme und informative Vorberatung und dem gesamten Verwaltungsvorstand und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre geleistete Arbeit.